Eins und Eins sind nicht immer Zwei

Täglich ist im Internet in Foren und Communities aus dem PC- und Telekommunikationsbereich die Rede von den Blauen aus Montabaur, der 1&1 Internet AG. Dabei geht es nicht nur um Lorbeeren, die sich der Multiplayer bei seinen acht Millionen Kunden mit Flatrates und attraktiven Angeboten verdient hat. Vielmehr machen Begriffe wie Probleme, Ärger, schlechter Kundendienst und voreiliges Inkasso die Runde.

Sind das Einzelfälle, die bei jedem großen Player in der Statistik auftauchen, oder hat der Online-Riese bei seinem Wachstum den Blick für die Basis und eine direkte Kommunikation zu den Kunden verloren? Schwer zu beurteilen – bis man selbst die Erfahrung des ein oder anderen Missverständnisses mit den Machern aus Montabaur, Karlsruhe, Zweibrücken, London, Wien, Sarreguemines und Madrid erlebt.

So ein Launch des neuen Internetportals hat seine Tücken. Neben den Programmierarbeiten kommt schnell die Frage auf, wer für das Hosting eines Servers in Frage kommt. Grundsätzlich bietet 1&1 in diesem Marktsegment eine gute Serverleistung für einen vertretbaren Preis. Also ist der neue Partner in diesem Bereich für 24 Monate gefunden. Große Überraschung bei Einrichtung des Servers: War es bis vor kurzem üblich, dass in den gewerblichen Paketen eine kostenlose Hotline enthalten ist, sind bei 1&1 profitable 0900-Nummern als Kundenservice aktiv. Damit fällt für viele Unternehmen eine telefonische Erreichbarkeit aus den Büroräumen aus, da Firmen 0900-Nummern oft sperren lassen. Die Gründe dafür dürften auf der Hand liegen. Chefs wollen nicht das Risiko eingehen, dass Mitarbeiter solche meist erotischen oder andere auf Umsatz orientierten Services, sei es während der Arbeitszeit oder nach Feierabend, frei in Anspruch nehmen können. Das 1&1-Vorgehen mit dieser Finanzierung von Call-Centern ist nichts anderes als reine Profitmaximierung – egal, ob sich diese Hotline an Gewerbetreibende oder Privatkunden richtet.

Die nächste Überraschung bei der Zusammenarbeit mit der 1&1 Internet AG folgt. Bei der Registrierung für den Server wurde ein Firmenname angegeben, der nach kurzfristiger Umfirmierung nicht mehr aktiv war. Bei 1&1 ist es nicht möglich, diesen Namen unkompliziert per Email oder direkt im Kundenbereich zu ändern. Gewerbetreibende müssen einen Handelsregisterauszug nach Montabaur faxen, der dann manuell eingepflegt wird. Diese Info erhält der Kunde natürlich nur über eine 0900-Nummer. 1&1 bevorzugt es also, eine Firma als Kunden zu haben, die es gar nicht gibt, als dass der Kunde selbst im Rahmen seines Kundenbereiches persönliche Daten ändern kann.

Wenige Tage später erhalten Neukunden dafür diverse Kataloge und Werbeschreiben von 1&1 und deren Partnerunternehmen – an den ursprünglich angegebenen, nicht mehr existenten Firmennamen. Diese Mailings sind Bestandteil des Kleingedruckten bei Vertragsabschluss und aus Datenschutzgründen mehr als fraglich. Für die neu gegründete Firma war damit das Maß voll. Sie schickte dem Datenschutzbeauftragten des Bundes die Infos zu den Mailings und 1&1 vier Wochen nach Vertragsabschluss die Kündigung, mit Verweis auf das Rücktrittsrecht.

Für den unplanmäßig funktionierenden Kunden, der nicht in das auf Profit ausgerichtete Schema eines Großkonzerns wie 1&1 passt, beginnen nun die Probleme. Service? Fehlanzeige. Eine sachliche Auseinandersetzung mit der Angelegenheit? Fehlanzeige. Wenigstens ein Kopf im Hause 1&1, der sich ein wenig interessiert und einen solchen Fall anhört? Fehlanzeige. Die Mitarbeiter der Hotline gehen sogar soweit, dass falsche Namen angeben werden oder die Namensangabe strikt verweigert und aufgelegt wird. Aus Imagegründen kann man sich eigentlich nicht vorstellen, dass dies eine Vorgabe der Macher bei 1&1 ist. Das Unternehmen jedenfalls setzt sich mit solchen Fällen nicht weiter auseinander, sondern übergibt diese Vorfälle direkt an ein Inkasso-Unternehmen. Dieses führt praktischerweise auch bereits gezahlte Beiträge mit auf, damit sich die Bearbeitungsgebühr – die sich aus dem Streitwert zusammensetzt – für die Beteiligten rechnet. Im Gegensatz zur Kommunikation mit den Kunden dürfte dieses harte Vorgehen von führenden Köpfen verabschiedet worden sein.

Für 1&1 heißt dies ganz klar, dass der Tanz auf vielen Märkten und permanente Optimierung bedeuten, dass Kunden so unzufrieden sein können, 1&1 zu verlassen. In Montabaur macht man sich jedoch keine Gedanken zu diesem Thema. Der Umsatz scheint zu stimmen, die Performance ist zweitrangig. Wie lange kann diese Rechnung aufgehen? Gehen wir mal davon aus, dass 90% der acht Millionen Kunden rundum zufrieden sind. Bleiben rund 800.000 Nutzer, die unzufrieden sind und dem Unternehmen über kurz oder lang den Rücken kehren werden. Ein verhältnismäßig kleiner Prozentsatz, aber eine riesige Anzahl; vor allem wenn man davon ausgeht, dass in absehbarer Zeit ein Ende des Wachstums in diesem Markt erreicht sein dürfte und dieser nur noch über Veränderungen im Angebots-Wettbewerb erfolgreich zu meistern ist.

Übrigens; der Vorstand „Operations und Customer Care“ der 1&1 Internet AG, Henning Ahlert, gab auf Anfrage keine Stellungnahme zu diesem Artikel ab. Ergänzend glänzt Pressesprecher Andreas Maurer mit mechanischer Gleichgültigkeit und ist für keine konkrete Äußerung zu haben, sondern verteidigt geschult das 0900-Modell. Womit nicht gesagt sein soll, dass ausgerechnet diesen beiden Profis die Themen Service und Kundenzufriedenheit nicht ganz nah am Herzen liegen…

Mein Rat: Drum prüfe, wer sich für 24 Monate bindet. Vor allem bei und mit 1&1. Denn nach Vertragsabschluss stehen dem Kunden bei diesem Unternehmen nur kostenintensive Optionen zur Geltendmachung des Rechts und sogar der eigenen Meinung zur Verfügung. Und die Blauen aus Montabaur interessiert’s nicht wirklich. Egal was Privat- und Firmenkunden sowie Journalisten denken, schreiben und auf welche Art und Weise sie vorgehen. Wer hier nicht ins Raster passt, fällt unten durch. Frei dem altbewährten Motto: „Any press is good press.“

Eins und Eins sind definitiv nicht immer Zwei…

Foto: Archiv