Hirnscans sagen Modeerfolg vorher

Für die Modeindustrie stellt sich fortwährend die Frage, ob ihre neuen und stets wechselnden Modeartikel ein Verkaufserfolg werden. Entsprechende Vorhersagen haben eine hohe wirtschaftliche Bedeutung für die Modeunternehmen. Inwiefern die Vorhersagekraft für den Erfolg eines Produkts gesteigert werden kann, ermittelte nun eine mit Hilfe von Hirnscans aktuell durchgeführte Studie der Neuromarketing Labs.

Die emotionale Zuneigung von Kundinnen wurde in dieser Studie direkt am Gehirn gemessen, also dort wo die Kaufentscheidung getroffen wird. Die Wissenschaftler ermittelten die minimale Zeitspanne für die „neuronale Beurteilung“ eines Modeartikels ebenso wie die damit einhergehende emotionale Reaktion beim Betrachten.

Demzufolge benötigt das Gehirn weniger als eine Sekunde um „Tops“ von „Flops“ zu unterscheiden. Den Wissenschaftlern gelang es nachzuweisen, dass der tatsächliche Verkaufserfolg einer Modekollektion mit einer Trefferquote von 80 Prozent vorhergesagt werden kann. Die Studie durchlief mehrere Fachgutachten und wurde im Mai 2015 von den Neuromarketing Labs im Journal of Creating Value veröffentlicht.

Bei der Studie, die die Neuromarketing Labs in Kooperation mit einer europäischen Schuheinzelhandelskette durchführten, betrachteten 40 Frauen im Alter zwischen 19 und 53 Jahren zahlreiche Schuhmodelle am Computer. Dabei wurde ihre Hirnaktivität mithilfe einer EEG-Ableitung(2) gemessen. Außerdem gaben die Studienteilnehmerinnen auf einer Fragebogen-Skala an, wie gut ihnen jedes Schuhmodell gefiel. Die Ergebnisse von Hirnscan und Fragebogen verglichen die Forscher mit dem tatsächlichen Verkaufserfolg der Schuhe im Laden, gemessen über einen Zeitraum von 4 Monaten.

EEG-Hirnscans zeigen, ob Modeartikel erfolgreich werden oder nicht

Die Ergebnisse der EEG-Hirnscans zeigen, dass die größten Unterschiede in der Reaktion auf erfolgreiche und nicht erfolgreiche Modeartikel unmittelbar nach Erscheinen des Schuhmodells auf dem Bildschirm auftreten. Bereits einige Millisekunden nachdem die Versuchsteilnehmerinnen den Schuh sehen, entstehen bei ihnen positive oder negative Gefühle.

Diese unmittelbaren emotionalen Reaktionen stehen in engem Zusammenhang mit dem tatsächlichen Verkaufserfolg der Schuhe. Die Genauigkeit der Befragungen liegt dagegen nur knapp über der Ratewahrscheinlichkeit. Verdeutlicht wird, dass Hirnprozesse, die dem tatsächlichen Kauf beim „Fashion-Shopping“ vorangehen, sowohl schnell und unbewusst als auch emotional ablaufen.

Die Autoren der Publikation kommen zum Schluss, dass EEG-Messungen unter anderem aufgrund ihrer hohen zeitlichen Auflösung besser geeignet sind, Kaufentscheidungen vorherzusagen, als Befragungen. EEG- Hirnscans messen in Echtzeit, was im Gehirn vor sich geht. Fragebögen dagegen können schnelle, unmittelbare Hirnreaktionen nicht widergeben. Zudem fällt es Menschen oft schwer, emotionale Prozesse bei Befragungen korrekt zu beschreiben.

Dieses Wissen setzen die Wissenschaftler in die Praxis um: Im Rahmen der Studie entwickelten und verfeinerten sie einen Analyse-Algorithmus für die Auswertung der EEG-Daten. Über diesen Ansatz erreichen sie eine Vorhersagekraft von 80 % der tatsächlichen Verkaufsdaten. Die Zielsetzung war, der Modeindustrie ein Instrument an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe Modekollektionen bereits vor ihrer Produktion auf ihren Markterfolg hin überprüft werden können.

Dr. Kai-Markus Müller, Senior-Autor der Studie erklärt: „Ein solches Tool hat ein enormes wirtschaftliches Potenzial für die Modeindustrie, die regelmäßig Entscheidungen trifft, welches einzelne Stück unter vielen möglichen Artikeln ausgewählt und zur Produktion freigegeben wird. Bisher wird diese Entscheidung basierend auf Befragungen oder aufgrund individueller Einschätzungen, also nach „Bauchgefühl“ getroffen. Leider geht mit dieser Einschätzung auch eine hohe Floprate bei Neuprodukten einher.“

Nach Ansicht der Autoren steigert der Einsatz der neurowissenschaftlichen Methode die Erfolgsquoten und verringert die Versagerquoten. Müller: „Modeartikel, die das Gehirn des Kunden ansprechen, senken die Produktionskosten, sorgen für zufriedene Kunden und verhindern unnötige Rabattaktionen, die dem Markenimage schaden.“ Die Forscher berechneten in der Publikation, basierend auf den Verkaufsdaten der kooperierenden Schuheinzelhandelskette, dass sich der Gewinn des Einzelhandels durch den Einsatz von EEG-Hirnscans um 40 % erhöhen kann.

Neben den wirtschaftlichen Vorzügen des neurowissenschaftlichen Vorhersage-Tools weisen die Wissenschaftler in der Publikation aber auch auf einen erhöhten Mehrwert für die Kunden hin. Wie die Studie zeigt, kann alleine der Anblick von passenden Produkten eine positive Stimmung auslösen. Erstautor Davide Baldo: „Nun stellen Sie sich vor, Sie gehen in einen Laden und finden auf Anhieb Produkte vor, die Ihnen gefallen und die Sie glücklich machen. Eventuell wird dann sogar der größte Shopping-Muffel Gefallen an einem gelegentlichen Einkaufsbummel finden.“

Die Neuromarketing Labs setzen Hirnscans ein, um Fragen der Marktforschung zu beantworten. Mit innovativen Vorgehensweisen bieten die Marktforscher ihren Kunden die Möglichkeit, Marketingentscheidungen auf validen, reliablen und objektiven Informationen über die Kundenwahrnehmung von Werbung, Produktdesigns und Preisen aufzubauen. Das Unternehmen wurde 2011 als Ausgründung der Universität Tübingen von Neurowissenschaftlern mit Marketing- und Beratungserfahrung gegründet und ist mittlerweile international tätig.

Foto / Quelle: The Neuromarketing Labs, neuromarketing-labs.de