Reisetrend Schwarzer Tourismus: Reisen zu Katastrophen, Tod und Leid

Die meisten Urlauber suchen sich als Ziel für die schönste Zeit des Jahres moderne Städte, das Meer oder urige Bergdörfer aus. Ablenken, entspannen, fotografieren – dies ist die allgemeine Idealvorstellung eines gelungenen Urlaubs. Der schwarze Tourismus allerdings ist ein Trend, bei dem immer mehr Menschen genau das Gegenteil suchen: Orte, an denen Schlimmes passiert ist.

Katastrophen und Schrecken als Freizeitgestaltung
Eine Weile gibt es diesen Trend schon, denn von Katastrophen und Schrecken sind die Menschen schon immer fasziniert. In früheren Zeiten waren es Kämpfe um Leben und Tod oder öffentliche Hinrichtungen, heute sind es Touren zu Katastrophenschauplätzen.

Orte, an denen sich Tragödien abgespielt haben, üben eine ganz spezielle Faszination aus. Und dieses Phänomen scheint steig zu wachsen. Immer mehr Menschen besuchen zum Beispiel die Sperrzone von Tschernobyl: Im Jahr 2017 hat die Zonenadministration rund 30.000 Besucher gezählt, letztes Jahr waren es bereits 60.000.

Kontrollstelle in Tschernobyl
Kontrollstelle in Tschernobyl

Andere lassen sich in Kolumbien mit Pablo Escobars Auftragsmörder fotografieren, besuchen das Konzentrationslager Auschwitz oder fliegen nach Amerika, um eine Nacht im berüchtigten Villisca Axe Murder House zu verbringen, in dem im Juni 1912 ein bis heute unaufgeklärter achtfacher Axtmord geschah.

Offizielle Zahlen zum Schwarzen Tourismus gibt es kaum, denn viele Menschen organisieren ihre Reisen selbst. Allerdings wird dieser Trend immer beliebter. Im Tourismus herrscht ein enormer Wettbewerb und Pauschalreisen mit „All inclusive“ haben schon lange ihren Reiz verloren. So werden Schauplätze von Tragödien zu touristischen Zielen umfunktioniert.

Bildung vs. Sensationstourismus
Schwarzer Tourismus an sich ist nichts Schlechtes. Im Gegensatz zu den in unserem Beitrag „Chernobyl: Influencer-Ansturm nach Serienerfolg“ erwähnten Personen geht es den meisten dabei nicht um Selbstinszenierung.

Größtenteils wird mit heutigen Gedenkstätten respektvoll umgegangen – keine Selfies oder aufsehenerregende Videos. Die meisten gieren nicht nach Sensationen, sondern suchen Stille, Besonnenheit oder Einkehr. Sie wollen dort nichts erleben, sondern etwas lernen und sich selbst ein Bild von dem Geschehenen machen.

Doch leider gibt es auch negative Beispiele. In Kolumbien fand nach Veröffentlichung der gleichnamigen Netflix-Serie ein regelrechter „Narcos“-Tourismus statt. Anstatt sich kritisch mit dem Thema auseinander zu setzen, wurde hier mit der Verherrlichung von Unrecht und Gewalt Geld verdient. Beelitz ist ein weiteres Beispiel. Bereits vor seinem Kinostart sorgte der Horrorfilm „Heilstätten“ für Unruhe.

Obwohl er in den Ruinen einer anderen Heilstätte gedreht wurde, befürchtete man, dass der Grusel- und Partytourismus in den verlassenen Bereichen von Beelitz wieder aufleben könnte. Nachdem der Inhalt des Films bekannt wurde, hatte die Administration deshalb den Dreh auf dem Gelände untersagt.

Solche Vorkommnisse wird man leider nicht verhindern können, doch besteht die Hoffnung, dass sie eine Ausnahme bleiben. Vielmehr liegt es in der Verantwortung eines jeden Reisenden, sich im Klaren zu sein, wie man sich an Gedenkstätten oder Schauplätzen schlimmer Tragödien verhalten sollte. Denn was teilweise an diesen Orten passiert, ist schockierend und beschämend.

Verantwortungsvoller Umgang
Am wichtigsten ist also der Aspekt, wie Tragödien und Unheil aus vergangenen Zeiten in der Gegenwart präsentiert und wahrgenommen werden und wie man sich selbst als „schwarzer Tourist“ an diesen Orten verhält. Denn diese Art des Reisens erfüllt auch eine soziale Funktion.

Das Erleben und Nachvollziehen von Leid. Die Geschehnisse aus der Vergangenheit kennen wir meistens nur aus dem Fernsehen oder Büchern. Wenn wir jedoch Dinge persönlich vor uns sehen und uns das Leid und der Schmerz dadurch direkt begegnen, bekommen wir eine Verbindung zu denjenigen, die dies damals betroffen hat.

Die Touren können somit also ein Ventil für die Gesellschaft sein, welche Tod und Krankheit aus dem Alltag in Krankenhäuser und Altenheime verbannt hat. Das führt zu neuem Moralempfinden und neuer Sensibilität. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist jedoch, der Geschichte sensibel und kritisch und nicht naiv oder verherrlichend zu begegnen.

Mit eigenen Augen
Mit dem nötigen Respekt vor den Opfern und den Hinterbleibenden besuchen wir als Fotoreisende die Sperrzone von Tschernobyl. Hier bieten sich beeindruckende Motive für einzigartige Bilder. Wenn ihr Tschernobyl mit eigenen Augen sehen wollt, findet ihr auf unserer Webseite Tschernobyl Abenteuerreisen alle Infos, die ihr für eure individuelle Fotoreise mit Urbexplorer benötigt.

Foto /Quelle: urbexplorer.com