Partnerschaft: Beziehungsglück von Hochsensibilität beeinflusst?
|Wie beeinflusst Hochsensibilität unsere partnerschaftlichen Beziehungen?
Dies wollte die psychologische Dating-Plattform Gleichklang.de wissen und beauftragte ihren Psychologen und Dating-Coach Guido F. Gebauer mit der Untersuchung. Gebauer wertete die Angaben von 24498 Personen aus, die den im Internet kostenlos angebotenen Test „Bin ich hochsensibel?“ ausfüllten und zusätzlich Angaben zu ihrem Beziehungs-Status und ihrer Beziehungszufriedenheit machten.
Es zeigte sich, dass Hochsensible etwas weniger oft als Nicht-Hochsensible angaben, mit ihrer Beziehung zufrieden zu sein. Dieser Unterschied war aber nur schwach ausgeprägt. Mehrheitlich gaben sowohl Hochsensible als auch Nicht-Hochsensible an, mit ihren Beziehungen zufrieden zu sein.
Allerdings waren die Befragten im Durchschnitt zufriedener mit ihren Beziehungen, wenn beide Beziehungspartner entweder hochsensibel oder nicht hochsensibel waren. Trafen demgegenüber hochsensible und nicht hochsensible Beziehungspartner aufeinander, sank die Beziehungszufriedenheit deutlich ab.
Weitere Analysen zeigten jedoch, dass der entscheidende Faktor für die Beziehungszufriedenheit nicht in einer gemeinsam vorhandenen oder abwesenden Hochsensibilität lag, sondern im Vorhandsein von Wertschätzung und Akzeptanz. Hochsensible mit nicht hochsensiblen Partnern erreichten die gleiche Beziehungszufriedenheit, wenn die Partner ihrer Hochsensibilität mit Wertschätzung und Akzeptanz begegneten.
Psychologe Gebauer schließt hieraus, dass es bei der Partnersuche für eine hochsensible Person nicht darauf ankomme, nach einer ebenfalls hochsensiblen Person zu suchen. Achten sollten Hochsensible bei der Partnersuche jedoch darauf, ob die andere Person tatsächlich Wertschätzung und Akzeptanz gegenüber ihrer Hochsensibilität zum Ausdruck bringe.
Ergebnisse im Detail
Beziehungszufriedenheit: 66,7 % der Hochsensiblen und 71,2 % der Nicht-Hochsensiblen gaben an, mit ihrer Beziehung zufrieden zu sein. Dieser Unterschied in der Häufigkeit der Zufriedenheit zwischen beiden Gruppen war statistisch signifikant.
Einfluss der Übereinstimmung in Hochsensibilität: 79,0 % der Hochsensiblen mit hochsensiblen Partnern waren mit ihrer Beziehung zufrieden, während nur 62,9 % der Hochsensiblen mit nicht hochsensiblen Partnern mit ihrer Beziehung zufrieden waren. Bei den Nicht-Hochsensiblen zeigte sich ein analoger Effekt: 75,7 % der Nicht-Hochsensiblen mit ebenfalls nicht hochsensiblen Partnern gaben an, mit ihrer Beziehung zufrieden zu sein.
Diese Zufriedenheit der Nicht-Hochsensiblen sank auf 69,5 % ab, wenn die Partner hochsensibel waren. Alle diese Unterschiede zwischen den Gruppen waren statistisch signifikant.
Akzeptanz für Hochsensibilität: Waren Partner selbst hochsensibel, zeigten 79,0 % Akzeptanz und Wertschätzung gegenüber Hochsensibilität. Waren Partner aber nicht hochsensibel, sank der Anteil derjenigen mit Akzeptanz und Wertschätzung für Hochsensibilität auf nur noch 35,2 % ab.
Einfluss von Akzeptanz auf die Beziehungszufriedenheit: 89,2 % der Hochsensiblen mit ebenfalls hochsensiblen Partnern, die Akzeptanz zeigten, gaben an, mit ihrer Beziehung zufrieden zu sein.
Waren die Partner nicht hochsensibel, zeigten aber dennoch Akzeptanz für Hochsensibilität, reduzierte sich der Anteil der Zufriedenen nur trivial und statistisch nicht signifikant auf 88,9 %. Bei Kontrolle der Akzeptanz hatten Gemeinsamkeiten oder Unterschiede beim Vorliegen von Hochsensibilität also keine Auswirkungen mehr auf die Beziehungszufriedenheit.
Einfluss von Geschlecht, Alter und Bildungsstand: Frauen, jüngere Befragte und Befragte mit höherem Bildungsstand gaben eine statistisch signifikante, aber nur minimal höhere Beziehungszufriedenheit an. Alter, Bildungsstand und Geschlecht übten aber keinerlei Einfluss aus auf die Auswirkungen von Hochsensibilität, gemeinsamer Hochsensibilität oder Nicht-Hochsensibilität sowie der Akzeptanz für Hochsensibilität auf die Beziehungszufriedenheit.
Psychologische Interpretation
Psychologe Gebauer rät Hochsensiblen, bei ihrer Partnersuche darauf zu achten, dass infrage kommende Personen ihre Hochsensibilität akzeptieren und wertschätzen. Denn dies sei der entscheidende Faktor für ein gemeinsames Beziehungsglück. Demgegenüber sei es unerheblich, ob Partner ebenfalls hochsensibel oder nicht hochsensibel seien.
Hochsensible sollten bei der Partnersuche rechtzeitig ein Stoppsignal setzen, wenn sich bei der anderen Person eine fehlende Bereitschaft zeige, auf ihre Hochsensibilität positiv einzugehen. Durch solch ein rechtzeitiges Stoppsignal könne viel Beziehungsleid vermieden werden.
Umgekehrt sollten nicht hochsensible Personen im eigenen Interesse ebenso ein Stoppsignal gegenüber einer Partnerschaft mit einer hochsensiblen Person setzen, wenn sie selbst Hochsensibilität nicht akzeptieren und wertschätzen können.
Seien demgegenüber Akzeptanz und Wertschätzung vorhanden, stehe nichts einem möglichen Beziehungsglück zwischen hochsensiblen und nicht hochsensiblen Personen entgegen.
Was aber tun, wenn sich in einer Beziehung aufgrund der Hochsensibilität Spannungen ergeben?
Gebauer meint, dass das Kind bei einer bestehenden Beziehung zwar in gewisser Weise bereits in den Brunnen gefallen sei, dass Paare aber dennoch einiges tun könnten, um zu einer verbesserten Beziehungsqualität zu gelangen. Oft sei Beziehungsarbeit einer Trennung vorzuziehen, zumal viele nach einer Trennung in einer neuen Beziehung auch nicht zufriedener werden.
Studien zeigen laut Gebauer, dass eine offene und angstfreie Kommunikation die Beziehungszufriedenheit verbessern kann. Über solch eine Kommunikation könnten hochsensible und nicht hochsensible Partner lernen, einander zu verstehen und wertzuschätzen.
Während Beziehungsarbeit eine bestehende Beziehung verbessern könne, rät Gebauer Partnersuchenden dennoch davon ab, sich in der frühen Phase einer Partnerwahl auf eine Beziehung einzulassen, wenn Hochsensibilität von vornherein als ein Problemfaktor zwischen zwei Personen erkennbar werde. Beziehungsarbeit sei mit vielen Unsicherheiten verbunden und keineswegs immer erfolgreich. Bei der Partnersuche sei es daher sinnvoller, bei grundlegenden Unstimmigkeiten ein Stoppsignal zu setzen und nach einer besser passenderen Person zu suchen.
Beim Online-Dating empfiehlt Gebauer daher, darauf zu achten, dass Hochsensibilität und Akzeptanz für Hochsensibilität von den Plattformen berücksichtigt werden. Bei Gleichklang sei die Vermittlung so ausgerichtet, dass hochsensible Partnersuchende ausschließlich Personen vorgeschlagen werden, die Akzeptanz und Wertschätzung für hochsensible Partner von vornherein bejahen.
Hintergrund
Es wird geschätzt, dass 10 bis 20 % aller Menschen hochsensibel sind. Hochsensible Menschen kennzeichnen sich durch die intensivierte Wahrnehmung ihrer Umwelt, eine besonders tiefgreifende emotionale Verarbeitung und vielschichtiges Denken. Geprägt wurde der Begriff der Hochsensibilität durch die Psychologin Elaine Aron. Seither hat sich laut Gebauer der Begriff der Hochsensibilität vorwiegend als eine Selbstbezeichnung Betroffener weltweit durchgesetzt. Mittlerweile würden sich aber auch zunehmend wissenschaftliche Studien mit dem Konzept befassen.
In seinem YouTube-Kanal hat Gebauer ein Video zu „Hochsensibilität und Partnerschaften“eingestellt, in dem er weitere Ergebnisse der aktuellen Studie vorstellt und Empfehlungen für die Partnersuche und Beziehungsgestaltung gibt. Weitere Informationen zu Hochsensibilität stellt Gebauer außerdem auf der Webseite hochsensible.eu zur Verfügung.
Informationen zur Datenerhebung
An der Datenerhebung beteiligten sich 24498 Personen, die den Test „Bin ich hochsensibel?“ ausfüllten und zudem Angaben tätigten zu ihrer Beziehungszufriedenheit, einer möglichen Hochsensibilität ihrer Partner sowie dem Ausmaß an Akzeptanz und Wertschätzung ihrer Partner für ihre Hochsensibilität. Ebenfalls wurden u. a. das Alter, das Geschlecht und der Bildungsstand der Teilnehmenden erfragt. Anhand der Testergebnisse wurden die Befragten als hochsensibel oder nicht hochsensibel klassifiziert. In die Datenauswertung gingen auf diese Weise die Angaben von 19620 hochsensiblen und 4878 nicht hochsensiblen Personen ein. Das Überwiegen der Hochsensiblen in der Stichprobe erklärt sich damit, dass Hochsensible stärker motiviert sind, im Internet nach einem Test für Hochsensibilität suchen und diesen auszufüllen. Dies hat aber keinen Einfluss auf die Gültigkeit des Vergleichs der Ergebnisse zwischen Hochsensiblen und Nicht-Hochsensiblen. Es beteiligten sich 21184 Frauen, 3068 Männer und 246 nicht binäre Personen an der Befragung. Der stark überwiegende Anteil von Frauen an der Untersuchung begründet sich mit einem stärkeren Interesse von Frauen an Psychologie, Selbsterfahrung und Hochsensibilität. Die Gültigkeit der Befunde wurde hierdurch nicht beeinträchtigt, sondern die Befunde bestanden auch bei Kontrolle für Geschlecht, Alter und Bildungsstand fort.
Quelle / Foto: www.gleichklang.de, Dr. Guido F. Gebauer