Friseurpreise: Abzocke oder wirtschaftlich begründet?

Über die Preise im Friseurhandwerk entbrennt derzeit eine heiße Diskussion, Mutmaßungen über Männerhaarschnitte für 100,- Euro sorgen für Schlagzeilen. Gesichert ist das keineswegs. Doch die Friseurpreise müssen nach oben korrigiert werden, die Höhe der Preisanpassung wird aber in jedem Friseurbetrieb unterschiedlich ausfallen, so bestätigte es auch Jörg Müller, Geschäftsführer beim Zentralverband des Friseurhandwerks.

Status Q

Die aktuellen Branchenkennzahlen für das erste Coronajahr wurden Anfang Mai bei der Pressekonferenz zur Top Hair Messe 2022 in Düsseldorf bekanntgegeben. Für den Zeitraum 2020 – 2021 melden die umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen folgende Ergebnisse:

Umsatzrückgang von 7,03 Mrd. auf 6,25 Mrd. = -5,6% Der bisher geschätzte Umsatz für 2021 liegt bei 5,9 Mrd. – was einen Umsatzrückgang 2020 bis 2022 von 1,13 Mrd. bedeutet. Die Zahl der Beschäftigten sank um 9,7%. Die Preise stiegen +4,1% (bei einer aktuellen Inflationsrate von 7,4% im April 2022).

Wirtschaftlich ist das mehr als bedenklich, es bedeutet nichts anderes, als dass der Friseurunternehmer immer weniger Einkommen zur Verfügung hat. Dabei steht die Branche wirtschaftlich vor schweren Herausforderungen: Die Umsatzverluste aus den Lockdowns, Monate ohne Einkommen, müssen ausgeglichen werden Rückzahlungen:

Erhaltene Soforthilfe muss ganz oder teilweise zurückzahlt werden Die Energiekosten (Heizung, Licht, Geräte, Warmwasser) steigen rasant. Die Inflationsrate liegt bei durchschnittlich 7 % und muss aufgefangen werden Waren und Material verteuern sich durch Probleme bei Rohstoffen und Lieferketten (ca 10%).

Der Mindestlohn steigt auf 12,50 € – eine krasse Steigerung der Lohnkosten. Der Mitarbeitermangel wird in den nächsten Jahren für viele Betriebe zu einem Horrorszenario werden und die Unternehmen werden deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen. Auf ganzer Linie kann man sagen, dass im Dienstleistungsbereich eine Entwicklung in Richtung „Schweizer Verhältnisse“ absehbar ist.

Die kommende Preisentwicklung wird sich bei den meisten Unternehmen zweistellig nach oben bewegen müssen. Fehler der Vergangenheit Das Preisniveau im Friseurhandwerk hinkt seit Jahren der wirtschaftlichen Entwicklung (auch im Vergleich zu anderen Branchen) deutlich hinterher.

  • Im Friseurmarkt herrscht durch die viel zu hohe Zahl der Friseurbetriebe ein harter Verdrängungswettbewerb, der zumeist über den Preis ausgetragen wird. Mit möglichst niedrigen Preisen werben die Friseure um die Gunst der Kunden.
  • Nach aktuellen Erhebungen sind 32% der Friseurbetriebe als Kleinstunternehmen steuerbefreit und können die Ersparnis von 19% als Preisvorteil weitergeben. Steuerbefreit sind alle Unternehmen mit weniger als 22.000 Jahresumsatz – was kaum überprüft wird. Eine starke Wettbewerbsverzerrung, wie auch der Zentralverband immer wieder bemängelt.
Friseursalon
Wie kommen die Friseure aus dem Teufelskreis? / © pixabay.com Engin_Akyurt

Ähnliche Kosten und trotzdem extreme Preisunterschiede

Miete, Energie, Waren … in vielen Bereichen haben alle Friseurbetriebe ähnliche Kosten. Sparen kann man an Waren und Produkten, an Werbung, oder vergleichbaren Dingen, was aber nur minimale Kosteneinsparung mit sich bringt. In der Regel muss jedes Friseurunternehmen pro Stunde und Mitarbeiter ca 60,- € pro Stunde erwirtschaften um überleben u können.

Lohnkosten sind mit 40-50% vom Umsatz der größte Kostenfaktor – hier ergibt sich Sparpotential, genau wie bei der Umsatzsteuer (19 % vom Umsatz) Die jüngst bundesweit erfolgten Razzien der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zeigten mit einer Erfolgsquote von 75% die dunkle Seite dieser Branche. Die Folge eines ruinösen Preiswettbewerbs.

Faire Löhne – faire Preise

Das Einkommen im Friseurhandwerk steht schon lange im Blickpunkt der Medien und damit in der Kritik. Ein Aspekt wird hierbei nicht erwähnt: wenn es um die Wertschöpfung geht – also den Wert, welchen jeder Mitarbeiter in diesem Beruf erarbeitet – ist das Friseurhandwerk das weit abgeschlagene Schlusslicht.

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, arbeiteten im Jahr 2017 in Deutschland 240 000 Personen in der Friseurbranche. Sie waren für einen Umsatz von rund 6,7 Milliarden Euro verantwortlich. Im Durchschnitt setzte somit jede der dort tätigen Personen etwas mehr als 28 000 Euro im Jahr um.

Im Vergleich mit anderen zulassungspflichtigen handwerklichen Berufen (im Durchschnitt rund 126 000 Euro Umsatz pro tätige Person) reihen sich Friseurinnen und Friseure damit deutlich am Ende der Skala ein.

Diese geringe Wertschöpfung ist auch den niedrigen Preisen und Stundensätzen anzulasten. Niedrige Preise bedingen weniger Umsatz – weniger Umsatz verhindert faire Löhne. Ein Teufelskreis dem es zu entrinnen gilt – insbesondere in Anbetracht des Fachkräftemangels…

Quelle / Fotos: friseur-news.de / © pixabay.com