Ab wann wird Angst zur Störung? – mit Video

Wenn ein Mensch an einer Angststörung leidet, ist dies meist eine große Belastung für ihn. Doch eine psychische Störung verändert nicht nur den Alltag der betroffenen Person, sondern auch das Leben der Familie und der engen Freunde. Linda Weber, Psychologin und Geschäftsführerin von Mindable Health, informiert, was Angehörige tun können, um Betroffene zu unterstützen.

Das Unternehmen hat die DiGA „Mindable: Panikstörung und Agoraphobie“ entwickelt, die Menschen mit Platzangst und/oder einer Panikstörung helfen kann.

Angst – Was passiert da eigentlich?

„Menschen mit einer Angst- oder Panikstörung erleben meist eine unspezifische, überproportionale Angst, ohne erkennbaren Grund oder reelle, äußere Bedrohung. Betroffene leiden unter ausgeprägten körperlichen und psychischen Symptomen, wie Herzklopfen, Kurzatmigkeit, Schwindel oder dem Gefühl ‚verrückt zu werden‘.

Oft leben sie in der Angst vor dem nächsten Panik- oder Angstanfall. Sozialer Rückzug und Vermeidung von bestimmten Situationen sind meist die Folgen“, erklärt die Psychologin. Der gesamte Alltag dreht sich plötzlich um potenziell gefährliche Situationen und wie diese vermieden werden können. Darunter leiden nicht nur sie allein, sondern auch die Menschen, die ihnen nahestehen.

Linda Weber, Psychologin und Geschäftsführerin von Mindable Health
Linda Weber, Psychologin und Geschäftsführerin von Mindable Health / © mindable.health

Wie Angehörige Betroffenen helfen können

Linda Weber hat einige Tipps zum Umgang mit Menschen mit einer Angst- oder Panikstörung zusammengefasst:

  1. Sich informieren. Um die Herausforderungen einer Angststörung besser verstehen zu können, ist es hilfreich, sich mit dem Störungsbild vertraut zu machen. Offene Fragen können eventuell behandelnde Psychiater oder Therapeuten beantworten. Außerdem bieten einige Kliniken und Verbände kostenlose Informationsveranstaltungen oder Telefonauskünfte an. Je besser man die Angststörung und ihre Symptome versteht, desto besser können Verhaltensänderungen bei der betroffenen Person wahrgenommen und eingeschätzt werden.
  2. Betroffene ernst nehmen. Auch wenn die Angst der Betroffenen scheinbar unbegründet ist, sollte sie immer ernst genommen werden. Viele Menschen schämen sich für ihre Angst und vor Stigmatisierung. Sätze wie „Stell dich nicht so an“ oder „Reiß dich zusammen“ sind unangebracht. Stattdessen sind eine verständnisvolle Haltung und Zuhören wichtig.
  3. Nicht unter Druck setzen. Die betroffene Person sollte nicht unter Druck gesetzt werden – weder in Form von „Los, mach mal – du schaffst das!“, noch in Sachen Tempo bei der Therapiesuche und Behandlung. Vielmehr sollten auch kleine Erfolgserlebnisse anerkannt und die Herangehensweise der Betroffenen respektiert werden.
  4. Ruhig bleiben und klar kommunizieren. In einer akuten Angst- oder Paniksituation kann es sein, dass die Person gerade nicht in der Lage ist, ausführlich zu kommunizieren. Deshalb sollte man in kurzen Sätzen mit Betroffenen sprechen. Fragen wie „Hilft es, wenn ich mich zu dir setze?“ oder „Soll ich dich begleiten?“ können in der Situation genau richtig sein und auch mit einem Kopfnicken oder -schütteln beantwortet werden.
  5. Unterstützen statt übernehmen. Es ist wichtig, das Vermeidungsverhalten der Person nicht unbeabsichtigt zu verstärken. Das bedeutet, der betroffenen Person im Alltag nicht alle Aufgaben abzunehmen. Konkrete Ziele können helfen, sich langsam an die Bewältigung der Angst heranzutasten. Wichtig ist es, so viel Selbstständigkeit wie möglich zuzulassen.
  6. Eigene Emotionen zulassen. Wird bei einem Menschen eine psychische Störung diagnostiziert, kann das ganz unterschiedliche Gefühle bei nahestehenden Menschen auslösen: von Wohlwollen oder Verständnis, bis hin zu Unsicherheit, Hilflosigkeit und Scham. Ganz egal, welches Gefühl auftaucht, es ist wichtig, sich die Zeit zu nehmen, sich damit auseinanderzusetzen.
  7. Auf sich selbst achten. Unterstützung und Verständnis durch das nahe Umfeld sind für Betroffene von großer Bedeutung. Jedoch kann der Umgang mit betroffenen Personen für Freunde, Angehörige oder Partner eine Herausforderung oder gar Belastung darstellen. Wenn man Auswirkungen auf die eigene Gesundheit, die eigene Lebensgestaltung oder das Wohlbefinden verspürt, ist es wichtig, Grenzen zu setzen und sich um sich selbst zu kümmern. Eigene Kontakte pflegen, Dinge, die Freude bringen, in den Alltag integrieren und die eigenen Kräfte gut einzuteilen, sind wichtig, um selbst gesund zu bleiben und auch zukünftig eine Hilfe für Betroffene zu sein.
  8. Hilfe in Anspruch nehmen. Einige Kliniken bieten Gesprächsrunden für Angehörige an. Dort kann man sich mit Menschen in einer ähnlichen Situation austauschen, Sorgen ansprechen oder Erfahrungen teilen. Eine weitere Möglichkeit für einen intensiven Austausch und Hilfestellungen sind Selbsthilfegruppen oder Angebote der Telefonseelsorge.
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Durchschnittlich dauert es rund sieben Jahre, bis Betroffene sich eine fachgerechte Behandlung suchen und diese erhalten. Scham oder die Angst vor Stigmatisierung aufgrund der psychischen Erkrankung sind einige der Gründe. Die Wartezeit auf einen Therapieplatz dauert allein rund fünf Monate.

Wichtig zu wissen: Jeder hat die Möglichkeit, sich digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) von Ärzten oder Therapeuten verschreiben zu lassen, gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten vollständig.

DiGAs, wie ‚Mindable: Panikstörung und Agoraphobie‘, bieten ein niederschwelliges und zeitnahes Versorgungsangebot. Die App kann sowohl zur Überbrückung der Wartezeit auf einen Therapieplatz als auch therapiebegleitend und zur Prävention von Rückfällen genutzt werden.

Quelle / Fotos: mindable.health