Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose

Der Vorname, den Eltern ihren Kindern geben, kann die späteren Bildungschancen wesentlich beeinträchtigen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Erziehungswissenschaftlern der Universität Oldenburg. Sie befragten 2.000 Grundschullehrer, welche Erwartungen vorgegebene Namen in ihnen auslösen würden.

Bei bestimmten Namen stellten die Forscher einen deutlichen Zusammenhang zu Annahmen fest, die Fähigkeiten und Verhalten der Kinder betreffen, während kritische Distanz nur selten anzutreffen war. „Diese einseitigen Erwartungen der Lehrer könnten dazu führen, dass Schüler in Schubladen gesteckt werden, aus denen sie nur schlecht wieder herauskommen“, warnt die Studienleiterin Astrid Kaiser im pressetext-Interview.

Vornamen sagen nichts aus über Kinder, sondern über ihre Eltern, da diese für die Benennung zuständig sind. „Eltern geben durch die Namensgebung Signale, die Lehrer geben dafür Etiketten“, so Kaiser. Wer zu einkommensschwachen sozialen Schichten gehöre, neige statistisch dazu, bei der Namensgebung auf berühmte Persönlichkeiten wie etwa Filmstars zurückzugreifen. „Bereits einen Monat nach Start des Films ‚Kevin allein zu Haus‘ stieg die Zahl der Kevins weltweit stark an. Das Prinzip lautet, groß sein zu wollen, wenn man selbst klein ist. Für das Kind erreicht man damit jedoch genau das Gegenteil“, so Kaiser.

Denn der Name „Kevin“ war auch derjenige, der am deutlichsten in den Lehrerköpfen Stereotype für Verhaltensauffälligkeit weckte. „Viele der Befragten gaben an, hundertprozentig sicher zu sein, dass Kinder mit diesem Namen nur problematisch sein können. In einem Fragebogen fand sich der Kommentar ‚Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose'“, so die Oldenburger Forscherin. Leistungsschwäche oder Verhaltensauffälligkeit wurde auch den Namen Chantal, Mandy, Angelina, Justin oder Maurice zugeschrieben, während Charlotte, Sophie, Marie, Hannah, Alexander, Maximilian, Simon, Lukas oder Jakob positiv konnotiert waren.

Zwar stecke in jedem Vorurteil ein Tröpfchen Wahrheit, gibt Kaiser zu. Jedoch sollte man besonders als Lehrer keine direkten Rückschlüsse allein aus dem Namen eines Kindes ziehen. „Jedes sechste Kind ist von Armut betroffen. Von dieser Gruppe hat jedoch die Hälfte der Kinder bemühte Eltern, gute Bildungsmöglichkeiten und auch eine dementsprechend gute Entwicklung. Generalisierungen werden genau diesen Kinder zum Verhängnis und sollten daher vermieden werden.“ Um zu einer fairen Beurteilung zu gelangen, sei es für Lehrer wichtig, Distanz zu Assoziationen zu schaffen, die ein Name weckt.

„Man muss sich bewusst werden, dass auch bei bestimmten Namen positive Entwicklungen möglich sind. Für den richtigen Umgang mit eigenen Vorurteilen gibt es spezielle Fortbildungen.“ Eltern rät die Wissenschaftlerin, bei der Namensgebung nicht auf Medienvorbilder zurückzugreifen, sondern lieber bei Vornamen der Verwandtschaft auf Suche zu gehen.

Link zur Studie:

Quelle / Foto: http://www.pressetext.at / pixelio.de/stormpic