Smart Meter Rollout – Vertrag der Zukunft? Strom zum stündlichen Börsenpreis?

Strom zum stündlichen Börsenpreis? Ab 2025 haben Verbraucher das Recht auf solche Verträge. Dynamische Tarifangebote werden dann für alle Stromlieferanten verpflichtend. Michael Kaesser und Malte Trukenmüller, Experten in der Energy Practice der globalen Strategieberatung Simon-Kucher erklären, warum das neue Gesetz für Kunden, Versorger und Klima von Vorteil ist.

Im Frühling 2023 tritt es in Kraft: das Gesetz zur Beschleunigung des Smart Meter Rollouts. Zwei Jahre später haben alle Kunden ein Anrecht auf dynamische Energietarife auf Basis intelligenter Zähler – also Tarife, die Börsenpreise des Day-Ahead oder Spotmarkts widerspiegeln. Die Abrechnung erfolgt je nach Tarif sogar auf Viertelstunden-Basis. Im besten Fall verschieben Kunden ihren Verbrauch damit auf Zeiten, in denen das Stromangebot hoch und der Preis niedrig ist.

Warum der Smart-Meter-Rollout bitter nötig ist?

Für große Energieversorger besteht die Pflicht, einen dynamischen Tarif anzubieten, bereits seit vergangenem Jahr. Sichtbar wird dies für Kunden bisher jedoch nicht: Lediglich einer von 16 großen etablierten Stromversorgern in Deutschland vermarktet aktiv einen dynamischen Tarif, der Anreize zur Lastverschiebung bietet.

Während europäische Länder wie Finnland, Estland, Schweden und Spanien dynamische Tarife dank fortgeschrittenem Smart Meter Rollout bereits fest etabliert haben, hängt Deutschland hinterher. Die Smart Meter Abdeckung und das Interesse der Verbraucher an Smart-Metern sind derzeit durch die hohen Kosten mit ca. 100 Euro noch gering. Durch das neue Gesetz wird ein Rahmen geschaffen, in dem beide Seiten profitieren können.

Ohne Elektrizität wird es duster, und zwar alles
Strom ist (zu) teuer zur Zeit – aber ohne Elektrizität wird es duster, und zwar alles / (c) pixabay.com – analogicus

Großes Sparpotential für flexible Kunden

Für Verbraucher ist es daher an der Zeit zu prüfen, ob solche Tarife zu ihnen passen. Die Faustregel: Wer beim Stromverbrauch nicht auf feste Zeiten angewiesen ist, kann dank der neuen Transparenz viel sparen. Einfach indem er die Nutzung auf kostengünstigere Zeitpunkte verschiebt – das Elektroauto also zum Beispiel nachts oder dann lädt, wenn es überschüssige Windenergie gibt. Weitere Vorteile: Kunden haben Transparenz zu Verbrauch und Kosten, reduzieren CO2-Emissionen und fördern die Energiewende.

Stabileres Stromnetz, bessere Versorgungsicherheit

Geht das neue Gesetz also zu Lasten der Energieversorger? Keinesfalls. Denn: Das angepasste Kundenverhalten reduziert Peaks im Verbrauch. Preisliche Anreize zur Lastverschiebung glätten das System, das Stromnetz kann besser stabilisiert werden, die Versorgungssicherheit steigt.

Verbraucher wollen aktiv mitgestalten

Dynamische Tarife sind zudem exzellent zur Kundenbindung. Angepasste Preis- und Beschaffungsmodelle geben Kunden, das was sie wollen: Transparenz und Handlungsoptionen. Auch unsere Energiemarktstudie zu Verbraucherverhalten und Preiswahrnehmung zeigt, dass Kunden gerne den Verbrauch anpassen, um zu sparen. Spanien macht es vor: Hier nutzen bereits fast 50 Prozent der Endkunden dynamische Tarife.

Dynamische Tarife als Kundenmagnet

Langfristig noch wichtiger: Das Gesetz zu dynamischen Tarifen deckelt die Endverbraucherkosten für Smart Meter auf 20 Euro. Das fördert die breitflächige Einführung und beschleunigt die Digitalisierung. Energieversorger können neue Geschäftsfelder und Mehrwerte für Kunden entwickeln.

Das ist essentiell, da in der Energiekrise viele Verbraucher in die plötzlich günstigere Grundversorgung wechselten. Jetzt, da wettbewerbliche Tarife wieder preiswerter sind, fahren Versorger ihren Vertrieb hoch. Dass Preise am Spotmarkt stärker sinken als an den Terminmärkten, ist dabei das beste Argument zur Neukunden-Gewinnung mit dynamischen Tarifen.

Das Fazit? Dynamische Tarife begünstigen sowohl Verbraucher als auch Energieversorger und bringen Angebot und Nachfrage besser zusammen. Sie sind Wachstumschance statt reine Pflichterfüllung, machen Portfolios diverser und fördern die Digitalisierung der Energiewende. Der wahre Gewinner ist das Klima.

Michael Kaesser ist Partner in der Energy Practice bei Simon-Kucher. Spezialisiert auf Strategie, Preisgestaltung, Vertrieb und Marketing, kümmert er sich vor allem um die Entwicklung und Positionierung und Vermarktung neuer Produkte im Energie- und Industriesektor. Mit seiner langjährigen Erfahrung war er u.a. an Programmen führender Energieversorger für Wachstumsstrategien, Entwicklung neuer Geschäftsfelder und der Etablierung digitaler Sales- & Servicestrategien beteiligt.

Malte Trukenmueller ist Director in der Energy Practice bei Simon-Kucher und seit bald einem Jahrzehnt in der energiewirtschaftlichen Beratung tätig. Sein Fokus liegt auf Strategie- und Geschäftsfeldentwicklung, Transformation und Unternehmenssteuerung sowie auf der Optimierung von Vertrieb, Marketing und Service.

Quelle / Foto: www.simon-kucher.com