Fall Sarrazin: Bislang wenige Stimmen aus der Wissenschaft

Die Thesen des Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin beschäftigen Politiker und Journalisten, die Wissenschaftler offenbar weniger. Dabei wären klärende Worte und Orientierungshilfe nach Auffassung der Andreas Günther Kommunikationsberatung wichtig.

Inhaber Andreas Günther vermisst in den Medien die Stimmen bedeutender Forscher und Institute zu den Äußerungen Sarrazins über die genetische Determinierung von Intelligenz und Sozialverhalten.

Eine Ausnahme bildet die Psychologin Elsbeth Stern, die sich gegen die Vereinnahmung ihrer Forschungsergebnisse in Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ gewandt hat.

Der auf Wissenschafts-Kommunikation und Wissenschafts-PR spezialisierte Hamburger Berater denkt aber auch an Geistes- und Kulturwissenschaftler. „Diese haben, obwohl ihre Erkenntnisse eigentlich jeden angehen, selten Gelegenheit, sich im öffentlichen Diskurs so zu äußern, dass sie auch gehört werden“, stellt Günther fest.

„Antisemitismusforscher, Medizinhistoriker und Wissenschaftstheoretiker werden jetzt aber dringend gebraucht, um Begriffe und Argumentationsmuster zu untersuchen, zu hinterfragen und die Bevölkerung umfassend aufzuklären“, fordert Günther. „Die Diskursgeschichte der Vorurteile kann nicht von Journalisten allein erzählt werden, dazu braucht es darüber hinaus die Autorität der Expertise.“

Für vornehme Zurückhaltung sei dies der falsche Zeitpunkt. „Von wissenschaftlichen Institutionen wird auch eine Orientierungsleistung und ein Beitrag zur Erhaltung der Werte gefordert“, so Günther. Am Ende handle es sich zudem um einen Akt der Selbstbehauptung. „Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse in dieser Breitenwirkung womöglich falsch oder unvollständig wiedergegeben werden, muss darauf entsprechend reagiert werden, bevor sich Irrtümer festsetzen und vielleicht verheerende Folgen haben.“

Angemaßter Expertise müsse entgegengetreten werden, wenn diese falsch liege. Was hier wohl der Fall und schon der „Notwendigkeit wissenschaftlicher Arbeitsteilung“ geschuldet sei. „Wenn ein Finanzwissenschaftler ernsthaft Anspruch darauf erhebt, hochkomplexe Erkenntnisse der Psychologie, Sozialwissenschaften und Genforschung nicht nur sinnvoll beurteilen, sondern auch produktiv weiterverwerten zu können, ist das so vermessen, als ob ein Germanist in der Teilchenphysik mitreden wollte.“

Die Medien gehen nach Einschätzung des 41jährigen PR-Beraters sehr besonnen mit der Aufregung um die Thesen und das Buch „Deutschland schafft sich ab“ des Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin um. „Zum Teil wird die Debatte auch innerhalb eines Mediums von verschiedenen Standpunkten aus und sehr differenziert geführt“, so Günther.

Besonders hebt er die Frankfurter Allgemeine Zeitung hervor. Einmal mehr habe sie ihre Rolle als großes Leitmedium einer bürgerlichen Öffentlichkeit unterstrichen. Aber auch Fernsehmoderatoren wie Beckmann und Plasberg hätten eine gute Figur gemacht.

Foto: Andreas Günther / Web: www.guenther-kommunikation.de