Auf geht’s nach Capo Sant‘Andrea: Glasklares Meer, Felsen, Berge und Sonne

Menschen hat das größte Kap im Nordwesten der Insel Elba schon immer angezogen. Bereits in der Altsteinzeit streiften Jäger durch seine Wälder und machten reiche Beute, was zahlreiche, zehntausende Jahre alte Werkzeuge zur Fleischzerkleinerung beweisen. Viel später entdeckten die Etrusker die geografischen Vorzüge der Inselspitze. Für sie, die Vertreter einer Hochkultur, die lange vor dem Aufstieg Roms regen Fernhandel betrieb, war das heutige Capo Sant‘ Andrea strategischer Vorposten im Tyrrhenischen Meer und zugleich ein perfektes Refugium.

Von hohen Felsen gesäumt bot die Bucht Schutz vor Angreifern und bremste stürmische Westwinde aus. Die Etrusker waren Meister der Eisenverarbeitung. Die sandigen Böden des Kaps sind noch immer übersät von sogenannten schiumoli, Überresten eines Fusionsprozesses zur Reinigung des Eisens.

Aus römischer Epoche stammen zwei Wracks, die vor einigen Jahrzehnten zufällig vor Capo Sant‘ Andrea gefunden wurden. Das erste ruht nahe der Küste in gerade einmal zehn Metern Tiefe auf dem Grund. Das zweite wurde knapp 200 Meter weiter draußen entdeckt, wo es seit dem Unglück vor rund 2000 Jahren in 45 Metern Tiefe liegt.

Ein Teil der Fracht wurde gehoben, darunter Mahlsteine für Weizen und Amphoren mit Wein. Sie sind in den beiden Archäologiemuseen der Insel zu sehen. Letztlich aber ist der Meeresboden am Kap das „natürliche Museum“ für die antiken Schiffe und den Rest der nie in einem Hafen angelangten Fracht geblieben.

Geschichte auf Schritt und Tritt

Von der Furcht vor den Osmanen, die im 16. Jahrhundert auch in diesem Teil des Mittelmeers auf Expansionskurs gingen, zeugt ein Wachhaus hoch über dem Meer. Bedeutender für die Insel aber ist ein Geschichtskapitel, das in den ersten Mai-Tagen des Jahres 1814 begann. Napoleon ging mit der Fregatte „Undaunted“ vor Elba vor Anker.

Capo Santandrea Wurderschöne Landschaft und Sonne
Wurderschöne Landschaft und viel Sonne / © maggioni-gretz / R.Ridi

Nach seinen verheerenden Niederlagen hatten ihn Österreich, Russland und Preußen im Vertag von Fontainebleau gezwungen, als Kaiser von Frankreich abzudanken. Der Entmachtete wurde nach Elba in die Verbannung geschickt, die Insel hatte man ihm als Fürstentum zugestanden. Zehn Monate blieb Napoleon. Sein Lager schlug er nahe einer Wallfahrtstätte am Capo Sant’Andrea auf.

Vom höchsten Punkt der Insel beobachtete er die Schiffsbewegungen im Tyrrhenischen Meer. Sein Zelt im Kastanienwäldchen teilte er indes mit Maria Walewska, einer polnischen Gräfin, seiner Geliebten und Mutter eines gemeinsamen Sohns. Eine gemeinsame Zukunft mit der Mätresse war aus staatspolitischen Gründen keine Option für den machtversessenen Mann, der sich den Thron zurückerobern wollte. Am Capo Sant‘Andrea hat das Paar letzte gemeinsame Tage und Nächte verbracht, bevor sich die Wege für immer trennten.

Tausende Fotomotive und Erholung pur

Die grandiose Mittelmeerlandschaft mit den darin verborgenen Spuren von Menschheitsgeschichte und Menschengeschichten machen das Kap zu einem emotional berührenden Reiseziel, ist Maurizio Testa überzeugt. Der Hotelier, Dozent und Buchautor hat sich mit Gastonomen, Tourguides und anderen Profis zum Konsortium Capo Sant‘ Andrea zusammengeschlossen.

„Wir wollen das Marketing für unsere Heimat selbst in die Hand nehmen und die Welt für ein ganz besonderes Stück Elba begeistern“, sagt Testa. Die Badesaison am Kap reicht bis in den Oktober hinein. „Doch wir möchten Touristen ermuntern, mehr zu erleben, im Hinterland auf Entdeckungstour zu gehen.“ Dort spannt sich ein Wanderwegenetz kreuz und quer über das Massiv des Monte Capanne. Der Berg aus magmatischem Gestein ist die höchste Erhebung des Toskanischen Archipels.

Auf seinem Gipfel reicht der Blick an klaren Tagen bis nach Korsika und zur italienischen Festlandküste. Wer beim Abstieg über den Nordhang Kurs auf das winzige Dorf Poggio nimmt, hat bald auch die Quelle erreicht, aus der sich Napoleon täglich Trinkwasser bringen ließ. Elbas Bewohner haben sie nach ihm, dem berühmtesten Mann der Inselgeschichte, benannt – Fonte Napoleone. Eine erfrischende Wohltat auf der Wanderung ist ihr Wasser heute noch.

Foto / Quelle: maggioni-gretz.de