Werden Tiere für unsere Kleidung gequält?

Warme Kleidung und Tierschutz – passt das zusammen? Noch immer nutzen viele Menschen Daunen, Wolle, Leder oder Pelz von Tieren, um sich für die kalte Jahreszeit zu wappnen. Doch in vielen Fällen geht es dafür den Tieren nicht nur im sprichwörtlichen Sinne ans Leder.

Der neue Einkaufsratgeber von Vier Pfoten stellt die gängigsten tierischen Materialien und die damit verbundenen Tierschutzprobleme vor, informiert aber auch über Alternativprodukte für Verbraucher mit einem Herz für Tiere. Verbraucher rüsten sich derzeit mit neuen warmen Jacken, Schals oder Pullovern gegen die Kälte.

Doch wer Wert auf tierleidfreie Einkäufe legt, sollte beim Kauf von Daunen, Wolle und Co. einiges beachten. Denn viele Tiere müssen für unsere Wintermode mit Schmerzen und oft sogar mit dem Tod bezahlen. Ein Überblick zu den tierischen Materialien und ihren Alternativen.

Merinowolle

Bei der in Deutschland erhältlichen Bekleidung aus Wolle ist vor allem das sogenannte „Mulesing“ ein Problem – eine blutige Prozedur, die in Australien betrieben wird, dem weltweit größten Wollproduzenten. Beim „Mulesing“ entfernen Schafhalter:innen ihren Lämmern große Streifen Haut rund um den After, meist ohne Betäubung.

Grund dafür ist die Fliegenmadenkrankheit (Myiasis), die durch das Entfernen von Hautfalten verhindert werden soll. Vier Pfoten lehnt die Methode des „Mulesing“ vehement ab. Die globale Stiftung für Tierschutz engagiert sich dafür, dass Textilunternehmen weltweit ausschließlich Mulesing-frei zertifizierte Wollprodukte anbieten.

Inzwischen haben sich mehr als 220 internationale Bekleidungsmarken gegen „Mulesing“ ausgesprochen. Aber auch beim Kauf von Wollgarnen für den selbstgestrickten Pullover sollten Konsument:innen vorsichtig sein. Denn auch diese können von australischen „Mulesing“-Schafen stammen.

Übrigens: Merinowolle wird wegen ihrer besonderen Eigenschaften von Herstellern nicht nur bei Winterkleidung, sondern auch in Sport- und Outdoorkleidung, Anzügen oder sogar Stoffwindeln eingesetzt. Vier Pfoten rät bei Merinowolle:

Verbraucher können sich vor dem Einkauf über Marken und Händler direkt im Geschäft oder im Internet informieren. Einige Zertifikate stellen sicher, dass Produkte keine „Mulesing“-Wolle enthalten wie zum Beispiel der Responsible Wool Standard (RWS), Nativa™, ZQ Merino oder der Organic Content Standard (OCS).

Ohne verlässliche Zertifizierung kann man „Mulesing“ nicht ausschließen. Grundsätzlich gilt jedoch: die beste Wolle ist keine Wolle. Nur pflanzliche Alternativen können Tierleid zu 100 Prozent ausschließen. Kaschmir-, Mohair- und Alpakawolle:

Kaschmirziegen, Angoraziegen und Alpakas leiden vor allem unter den fehlenden Tierwohlrichtlinien in den größten Produktionsländern, etwa Peru, China oder Südafrika. Die Tiere werden meist extensiv gehalten. Das bedeutet, dass sie den Großteil des Jahres draußen auf der Weide oder in der Steppe sich selbst überlassen werden.

Die Folgen sind oft unzureichende Verpflegung, kein Schutz vor Wind und Wetter, ausbleibende oder zu späte ärztliche Versorgung sowie eine fehlende Mensch-Tier-Beziehung. Letzteres löst vor allem Stress und Panik aus, wenn es zur Schur oder notwendigen medizinischen Behandlungen (z.B. Wurmkuren) kommt, da die Tiere sehr scheu und den Kontakt nicht gewohnt sind.

Alpakawolle

Gerade Alpakawolle liegt voll im Trend. In Deutschland werden rund 20.000 Alpakas gehalten. Allerdings leben 3,5 Millionen der weltweit rund 4,4 Millionen Tiere in Peru. Aus dem Andenstaat stammen 90 Prozent der für den Weltmarkt produzierten Alpakawolle. Problematisch: Es gibt bei der Alpakahaltung noch keine verlässlichen Tierwohlstandards.

Damit die Tiere nicht fliehen, werden sie während der Schur oft mit Seilen in einer Art Schurvorrichtung festgebunden. Die sanften Fluchttiere erleiden dabei Todesängste und Stress. Da Tierwohlstandards entweder noch nicht ausreichend geprüft sind oder Probleme nur unzulänglich angegangen werden, rät Vier Pfoten grundsätzlich vom Kauf von Alpakawolle ab.

Kaschmirwolle

Kaschmir ist das ultraweiche Unterhaar von Kaschmirziegen, das vor allem für Pullover und Accessoires im Premium-Bereich verwendet wird. 90 Prozent der Kaschmirproduktion stammen aus China, der Mongolei und Tibet, in kleineren Mengen wird auch in Afghanistan, Iran und sogar Australien und Neuseeland produziert.

Jährlich leiden über 100.000 Kaschmirziegen vor allem unter dem sogenannten „Kämmen“. Um an das besonders feine Unterhaar zu kommen, wartet man nicht ab, bis die Tiere es von allein auf natürliche Art und Weise verlieren. Stattdessen wird es den Tieren im Akkord mit Metallkämmen schmerzhaft herausgerissen.

Vier Pfoten empfiehlt: Wer Tierleid zu 100 Prozent ausschließen möchte, sollte auf den Kauf von Kaschmirwolle verzichten. Wenn es dennoch Kaschmirwolle sein soll, dann empfiehlt sich der Griff zu Produkten, die mit dem „The Good Cashmere Standard“-Siegel ausgezeichnet sind.

Merinoschaf
Merinoschafe Warm anziehen ohne Tierleid © Four Paws | Bente Stachowske

Mohair-Produkte

Mohair bedeutet aus dem Arabischen übersetzt: „Stoff aus Haaren“. Die Wolle stammt von Angoraziegen und gehört zu den leichtesten Textilfasern, die es gibt. Je älter ein Tier ist, desto dicker sind seine Haare. Das lange weiß-gelockte Fell ist besonders seidig und weich und deswegen in der Textilindustrie heiß begehrt.

Die Wolle wird verwendet um Pullover, Mützen und Schals, aber auch Decken, Teppiche, Perücken und Kinderspielzeug herzustellen. Die Hälfte des weltweit vertriebenen Mohairs stammt aus Südafrika. Der Rest kommt aus den USA, Australien und der Türkei.

Millionen Angoraziegen müssen für ihr begehrtes Haar leiden. Da Tierwohlstandards auch hier entweder noch nicht ausreichend geprüft sind oder Probleme nur unzulänglich angegangen werden, rät Vier Pfoten, grundsätzlich vom Kauf von Mohairprodukten abzusehen.

Angorawolle

Angorawolle ist besonders flauschig, stammt vom Angorakaninchen und wird als Luxustextil gehandelt – ebenso wie Kaschmir und Mohair. 90 Prozent der Angorawolle stammen aus China. Dort werden rund 50 Millionen Angorakaninchen gehalten. In China gibt es keine Tierschutzgesetze und Tierquälerei wird nicht bestraft.

Die Kaninchen werden alle drei Monate grausam gerupft oder geschoren. Nach zwei bis fünf Jahren wartet die Schlachtbank. Die Kaninchen werden systematisch überzüchtet, so dass es zu Sehbehinderungen und Augenkrankheiten kommen kann.

Aufgrund des unnatürlich starken Fellwuchses können die Tiere außerdem Hitze nicht mehr selbst regulieren. Des Weiteren bekommen sie lebensbedrohliche Verdauungsstörungen, weil sie bei der eigenen Fellpflege übermäßig viel Haare aufnehmen.

Zudem sind Angorakaninchen sehr soziale Tiere und brauchen Gesellschaft und viel Platz, um sich bewegen zu können. Deshalb ist es nicht artgemäß, die Kaninchen ihr ganzes Leben in Käfige zu sperren. Durch diese Haltung können sie ihre natürlichen Verhaltensweisen kaum ausüben.

Es kommt durch den Platzmangel zu Deformationen der Wirbelsäule, zu Verletzungen an den Pfoten und Beinen sowie zu Verhaltensstörungen und Aggressionen durch Unterforderung. Vier Pfoten rät bei Angorawolle: Es gibt keine tierfreundliche Produktion von Angorawolle, daher ist auch jeder Angora-Tierwohlstandard inakzeptabel. Vier Pfoten lehnt die Verwendung und den Kauf von Angorawolle vehement ab.

Daunen

Daunen in Jacken, Kissen, Decken und ähnlichen Produkten stammen in der Regel von Gänsen und Enten aus der Intensivtierhaltung. Und damit nicht genug – im schlimmsten Fall leiden die Tiere unter grausamem Lebendrupf oder Stopfmastproduktion.

Möchten Verbraucher Tierleid ausschließen, empfiehlt Vier Pfoten, auf Daunen-Alternativen (siehe Liste unten) zurückzugreifen. Diese nehmen es in Punkto Wärme und Qualität locker mit Daunen auf.

Wer auf Daunen nicht verzichten kann, kann sich vor dem Einkauf direkt im Geschäft oder im Internet über Marken und Händler informieren. Folgende Siegel schließen zumindest Lebendrupf und Stopfmast aus: Responsible Down Standard (RDS) oder der Downpass 2017.

Pelz

Mützen mit Pelzbommel, Fellbesatz an Kapuzen, Krägen, Handschuhen oder Schuhen – hinter jeder noch so kleinen Echtpelzapplikation verbirgt sich enormes Tierleid. Millionen Nerze, Füchse oder Marderhunde werden dafür in Pelzfarmen in engen Käfigbatterien gezüchtet. Andere Wildtiere werden mit Fallen getötet.

Vier Pfoten setzt sich für ein pelzfreies Europa ein und ist als Repräsentant des „Fur Free Retailer Program“ in vielen Ländern maßgeblich daran beteiligt, große Modehäuser zu einer pelzfreien Zukunft zu bewegen. Dass Pelz ein Auslaufmodell ist, zeigt auch die Vier-Pfoten-Marktanalyse aus dem vergangenen Jahr:

Der Großteil der umsatzstärksten Marken und Händler in Deutschland hat Echtpelz aus seinen Kollektionen verbannt. Vier Pfoten rät bei Pelz: Finger weg! Tierfreundlich produzierten Pelz gibt es nicht, auch die Zertifizierungsprogramme der Pelzindustrie bieten keine höheren Tierschutzstandards.

Echtpelz ist häufig nicht als solcher klar gekennzeichnet und auch aufgrund der Optik oder des Preises oft nicht zuverlässig von Kunstpelz zu unterscheiden. Vier Pfoten empfiehlt daher, sich im Zweifel auf der „Fur Free Retailer“-Webseite zu informieren. Dort finden sich garantiert pelzfreie Unternehmen.

Leder

Leder wird oft als sogenanntes Nebenprodukt der Fleischproduktion wahrgenommen. Aber auch die Herstellung von Leder ist mit Schmerzen für die Tiere verbunden. Informationen darüber, woher Unternehmen Leder für Schuhe, Gürtel oder Jacken beziehen, gibt es kaum – und somit gibt es auch keinen Tierschutzstandard.

Außerdem sind bisher kaum Herkunftslandbezeichnungen auf Lederprodukten zu finden. Aufgrund von mangelnder Transparenz ist es für Käufer so gut wie unmöglich, zu erkennen, wie das Tier gehalten wurde, bevor es zu Leder verarbeitet wurde.

Vier Pfoten ist derzeit kein Unternehmen bekannt, dass die komplette Lederlieferkette im Hinblick auf Tierschutzaspekte transparent offenlegt. Zu den weltweit über eine Milliarde zählenden Schafen, Ziegen und Rindern, die für die Lederindustrie genutzt werden, kommen Millionen Wildtiere wie Reptilien, Kängurus oder Strauße, die für ihre Haut getötet werden.

Auch wenn Vier Pfoten begrüßt, dass einige Marken damit begonnen haben, eigene Lieferketten aufzubauen und sich beispielsweise um regionales Bio-Leder bemühen, sind ethische Kaufentscheidungen für Lederprodukte so gut wie unmöglich.

Leder von Wildtieren sollte man immer meiden. Auch von Leder von landwirtschaftlichen Tieren rät Vier Pfoten ab, wenn die Herkunft und damit der Tierwohlstatus unbekannt ist, da die meisten Tiere in sehr schlechten Haltungsbedingungen leben.

Alternativen zu tierischen Materialien

Ohne Zweifel ist ein Kleiderschrank ohne tierische Materialien die tierfreundlichste Alternative, denn auch Tierwohllabels können Tierleid nie zu 100 Prozent ausschließen. Heute gibt es mehr nachhaltige und tierfreie Materialien als je zuvor.

Wollalternativen

Es gibt viele empfehlenswerte tierfreie Alternativen zu Wolle. Recyceltes Acryl – hergestellt aus recyceltem Kunststoff. Dies ist der am häufigsten verwendete Stoff, der als Alternative zu Wolle eigesetzt wird.Recyceltes Polyester – hergestellt aus recycelten Plastikflaschen.

Ebenfalls weit verbreitet und benötigt nur 30% der Energie, die Polyester benötigt. Bio-Baumwolle – diese wird ohne Verwendung schädlicher synthetischer Chemikalien oder Zusatzstoffe hergestellt. Tencel™ Lyocell – hergestellt aus Holzzellstoff. Dieser wird in einem umweltfreundlichen Verfahren hergestellt und ist biologisch abbaubar und wiederverwertbar.

Daunenalternativen

Auf dem Markt gibt es bereits viele etablierte Alternativen wie PrimaLoft® oder recyceltes Polyester. Ebenso empfehlenswert sind pflanzliche Daunenalternativen wie zum Beispiel Tencel™ (Lyocell) (siehe oben) oder Kapok. Kapok ist eine Hohlfaser aus den Schalen des tropischen Kapokbaums, die zu 80 Prozent aus Luft besteht und von Natur aus mit einer wasserabweisenden Wachsschicht überzogen ist.

Lederalternativen

Neben dem aus Kunststoff bestehenden Kunstleder gibt es heute auch viele pflanzliche Lederalternativen, z.B. Ananasleder, Apfelleder oder Pilzleder.

Ananasleder

Die Ananasblätter bleiben bei der Ernte übrig und sind ähnlich stabil wie Leder – aber deutlich ökologischer und tierfreundlicher.

Apfelleder

Diese Alternative wird zum Teil aus dem Obst-Trester der Apfelsaft-Hersteller gewonnen, die andere Hälfte ist Polyurethan (PU).

Pilzleder

Dieses „Leder“ entsteht aus Pilzen, die auf forstwirtschaftlichen Abfällen wie Sägemehl heranwachsen. Die benötigten Pilze lassen sich in kürzester Zeit anpflanzen und züchten. So entsteht ein Material, das Rindsleder ähnelt – nur eben tierfreundlich.

Fotos / Quelle: vier-pfoten.org

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Redaktion modelvita.com